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Enerige & Management > Biogas - Landwärme-Insolvenz: „Ein Problem für die gesamte Branche“
Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
BIOGAS:
Landwärme-Insolvenz: „Ein Problem für die gesamte Branche“
Der Verband „THG-Quote“ wirft dem Bundesumweltministerium vor, den wirtschaftlichen Schaden kleinzureden, der durch falsch angerechnete UER-Projekte entstanden ist. Wackelt der Markt?
 
Der Verdacht, dass am THG-Markt in großem Stil betrogen worden ist, hat sich erhärtet. Bundesumweltministerin Steffi Lemke stand dieser Tage im Umweltausschuss des Bundestags zu ominösen Upstream-Emissions-Reduction(UER)-Projekten in China Rede und Antwort. Die Grünen-Politikern wies darauf hin, dass ihr Ministerium anstrebe, „alle unrechtmäßig ausgestellten Zertifikate ausgleichen zu lassen“, dies sei allerdings mit hohen rechtlichen Hürden verbunden. Der Bundesverband THG-Quote wirft dem Ministerium vor, „die Macht der Ölkonzerne zu fürchten“. Und spricht davon, dass das BMUV den wirtschaftlichen Schaden „relativiert“, der durch falsch angerechnete UER-Projekte entstanden ist.

„Die Verharmlosung der ökonomischen Auswirkung ignoriert die Tatsache, dass der gesamte Markt für THG-Quoten destabilisiert wurde“, schreibt der Verband in einer „Gegendarstellung“ zu Ausführungen des Ministeriums. Der Schaden betreffe Bio- und Erneuerbare-Energieprojekte, „die von diesem System abhängen“. Die Rede ist von erheblichen finanziellen Verlusten und gestoppten Projekten. Extremfall: die Insolvenz des Biomethan- und THG-Händlers Landwärme.

Biomethan-Preise mittelfristig von 11 bis14 Cent

Der THG-Skandal spiegelt sich im Biomethan-Handel deutlich wider: „Umdeklarierter Biodiesel aus China und nicht existierende Klimaprojekte (UER) überschwemmen den Markt, der zum Verfall des THG-Quotenwertes und damit des Biomethanpreises führte“, erklärt der Fachverband Biogas.

Die Biomethan-Plattform „agriportance“ weist aktuell Preise zwischen 9 und 11 Cent pro kWh bei Lieferverträgen mit 6-jähriger Laufzeit aus. „Wir sehen einen massiven Einfluss seit Oktober 2022, das schlägt auf alle Qualitäten durch mit unterschiedlichen Nuancen“, sagt der Gründer und Geschäftsführer des Münsteraner Unternehmens, Hennig Dicks, über den Betrug bei THG-Quoten. Der Preis für Biomethan aus Wirtschaftsdünger – das Produkt mit dem niedrigsten Treibhausgaswert – sei seither von fast 40 auf 11 Cent gesunken.

Biomethan aus Reststoffen kostete im Oktober vor zwei Jahren 20 Cent je kWh, jetzt sind es 9,5  Cent. Der Preis für Biomethan aus nachwachsenden Rohstoffen, das vor allem in BHKW mit EEG-Vergütung genutzt wird, sank von 13 Cent im Sommer 2022 auf 9 Cent.

Neben den THG-Quoten zweiter großer Faktor am Markt sei der Rückgang der Erdgaspreise, wie Dicks betont. Zudem zeichne sich ein „leichter Angebotsüberhang“ ab. Vor zwei Jahren habe es eine Verknappung gegeben, inzwischen seien neue Produktionsanlagen dazugekommen und bestehende Produktionsanlagen vergrößert worden. Doch „wir sehen auch, dass europaweit eine neue Nachfrage entsteht, sie zieht aber erst langsam an“, berichtet Dicks.

Für die kommenden zwölf Monaten rechnet Agriportance mit einer Konsolidierung je nach Qualität im Bereich von 9 bis 11 Cent. Mittelfristig – in zwei bis drei Jahren – erwartet man Preise von etwa 10 bis 14 Cent. „10 Cent für die klassische Nawaro-Qualität, 14 Cent für die Wirtschaftsdünger-Qualität.“

Einschnitte bei Stadtwerken

Was die Lage in der Branche angeht, glaubt man in Münster, dass sie sich erst gegen Ende 2025 entspannen wird. Der Fall Landwärme sei ein Problem für die gesamte Branche, sagt Dicks. „In Deutschland gehen teilweise fast 40 Prozent der Biomethanmengen, die produziert werden, durch Landwärme-Hände, sei es direkt oder über Zwischenhändler.“ Dicks schließt nicht aus, dass noch der eine oder andere Marktakteur in den nächsten sechs bis zwölf Monaten in ähnliche Schwierigkeiten gerät.

Massive Kritik übt Agriportance am Verhalten der Ölindustrie. Dass Klimabetrug im Oktober 2022 begann, sei gut belegbar, sagt Dicks. „Den Mineralölkonzernen war ab Frühjahr 2023 bewusst, was sie da machen.“ Die rückwirkende Aberkennung gefälschter UER-Nachweise hält er vor allem auch mit Blick in die Zukunft für wichtig. „Wenn es nicht zur rückwirkenden Aberkennung kommt, ist das ein starker Freifahrtschein für die Zukunft.“

Bezahlen müssen für den Schaden offenbar auch kommunale Versorger. „Zum aktuellen Zeitpunkt haben nach eigenen Angaben mehr als 50 Stadtwerke offene Forderungen gegen Landwärme für den Verkauf ihrer THG-Quoten. Das hat eine erste Abfrage unter VKU-Mitgliedsunternehmen ergeben. Zudem gibt es Hinweise, dass Landwärme vereinzelt die Lieferung von Biomethan eingestellt hat“, teilte ein Sprecher des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) mit. Belastbare Aussagen zur möglichen Schadenshöhe seien zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich. „Im schlechtesten Fall gehen wir momentan von einem zweistelligen Millionenbeitrag aus.“

Landwärme bestätigt, dass es in einigen Fällen Lieferungen an Kunden „ausgesetzt“ worden seien. Grund dafür seien „rechtliche Vorgaben“ im vorläufigen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, sagt die Sprecherin des Unternehmens. Man habe die betroffenen Kunden Preisanpassungsangebote geschickt, im Falle der Einigung könnte die Lieferungen fortgesetzt werden. Grundsätzlich, so betont sie, sei der Geschäftsbereich Biomethanhandel „gesund“. Und es gibt Kunden, die sich keinerlei Veränderungen gegenübersehen. „Die Belieferung durch Landwärme läuft wie gewohnt weiter“, berichtet ein Sprecher des Kölner Energieunternehmens Naturstrom.
 

Manfred Fischer
© 2025 Energie & Management GmbH
Freitag, 13.09.2024, 16:58 Uhr

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